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Politik Mitbestimmung

EVA-Betriebsrätekonferenzen: „Die Bahn ist kein Versuchsobjekt“ 

Pandemie und Bundestagswahl: Das Jahr 2021 hat es auch für betrieblichen Interessenvertretungen in sich. Welche Herausforderungen das konkret bedeutet und welche Optionen es gibt, haben EVG und EVA Akademie in fünf virtuellen Betriebsräte-Konferenzen diskutiert – mit Praktiker*innen aus allen Bereichen des DB-Konzerns und hochrangigen politischen Gästen. Acht Schlussfolgerungen aus einer spannenden Konferenzserie.

Die Schiene hat Zukunft. Das Bekenntnis dazu zog sich durch alle Beiträge der politischen Referenten. Nur mit der Schiene seien die klimapolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre zu bestehen. „Der Bahn gehört die Zukunft. Sie ist für ein klimafreundliches Deutschland unverzichtbar“, so z. B. der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Er prognostizierte, dass der Anteil der Schiene am gesamten Verkehrsaufkommen steigen werde. Das aber erfordere auch eine klare, dauerhafte und konsequente Strategie. „Darin sehe ich eine Perspektive und der fühle ich mich auch verpflichtet.“  

„Corona“ macht der Bahn zu schaffen. Schon während der Konferenzen sickerte durch, was die DB schließlich in ihrer Bilanz-Pressekonferenz bestätigte: 2020 war das wirtschaftlich schlimmste Jahr in der Konzerngeschichte. „Auch ein bundeseigener Konzern ist nicht davor gefeit, in eine fürchterliche wirtschaftliche Schieflage zu kommen“, so der EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel. Er bezeichnete es zugleich als einen politischen Skandal, dass fast ein Jahr nach Abschluss des „Bündnisses für unsere Bahn“ die zugesagten fünf Milliarden Euro an Bundeshilfen immer noch nicht geflossen sind. „Hier geht es um Arbeitsplätze, die Verpflichtungen im Green Deal und die Schiene als Rückgrat der Verkehrswende“. Unterstützung bekam er vom GBR-Vorsitzenden der DB Netz AG, Veit Sobek. „Das Geld fehlt massiv“. Man habe den Eindruck, dass deren Freigabe in Brüssel nicht konsequent verhandelt werde. 

Für den Bereich Station & Service zog die GBR-Vorsitzende Heike Moll ein erfreulich positives Fazit der bisherigen Bewältigung der Krise. „Wir haben viel für den Eigenschutz der Beschäftigten getan. Die Kolleginnen und Kollegen im operativen Bereich kommen ohne Angst zur Arbeit.“

Der integrierte DB-Konzern ist für die EVG nicht verhandelbar. Bei einer Trennung von Netz und Betrieb „sehen wir sichere Beschäftigung gefährdet und die Verkehrswende auf dem Abstellgleis“, so EVG-Vize Martin Burkert. Die Zerschlagung des DB-Konzerns würde viel Unruhe bei den Beschäftigten auslösen. 

Vonseiten der politischen Referenten gab es dazu viele Bekenntnisse, wie z. B. von Olaf Scholz: „Wir bekennen uns als SPD zum integrierten Konzern – ganz klar! Dazu gehören Netz, Station & Service und Betrieb!“ Die Debatte „vernichtet Zeit und Energie“, so auch die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD).  

Gesprächsbedarf gibt es aber noch mit Bündnis 90/Die Grünen, für die der bahnpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Mathias Gastel, sein Konzept vorstellte. Den Modal Split erhöhen, Subventionierungen für die Straße abbauen, den SPNV erweitern – auf diese Ziele kann man sich schnell einigen. Strittig allerdings: der Weg dorthin. Gastel schlägt die Herauslösung der Infrastruktur und ihre Organisation in einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft, die Schaffung eines bundesweiten Aufgabenträgers und ein Konzessionsmodell für den Fernverkehr vor. „Die Bahn ist kein Versuchsobjekt“, so die Einschätzung hierzu des EVG-Vorsitzenden Klaus-Dieter Hommel. „Die Trennung von Netz und Betrieb ist keine Formalie. Dahinter steht eine Philosophie, und wer die verfolgt, muss an der EVG vorbei.“  Den Gesprächsfaden mit den Grünen will die EVG aber weiterknüpfen. 

Ohne Infrastruktur fährt kein Zug. Auch während der Corona-Pandemie gab es keine Bau-Pausen für Strecken, Stellwerke oder Elektrifizierungsprojekte. Parallel wurden die dringend benötigten Neueinstellungen vorgenommen, resümierte Veit Sobeck, GBR-Vorsitzender DB Netz AG. Der planmäßige Zugverkehr wurde während sämtlicher Baumaßnahmen weitestgehend ohne Ausfälle aufrechterhalten, um die Daseinsvorsorge sicherzustellen. 

Die Dienstleister gehören zur Bahn. „Wir sind kein Fremdkörper, sondern gehören dazu“, mahnte Hakan Kol, GBR-Vorsitzender der DB Services. Den Umgang mit seinem Bereich innerhalb des Konzerns sieht er kritisch. Mindestlohn und ein Tariftreuegesetz seien zwei Punkte, die auch für seinen Bereich flächendeckend gewährleistet werden müssten. „Jeder muss von seinem Lohn leben können“, legte er den Finger auf die sich nicht schließende Wunde von Sub-Sub-Sub-Vergaben. „Das System ist zu sehr finanz- und renditegetrieben“. Auch die Dienstleister können der Debatte um eine Trennung von Netz und Betrieb nichts abgewinnen. Ihre Arbeitsplätze stünden als Erstes auf dem Spiel.   

Güter gehören auf die Schiene. Dafür fordert die EVG die Förderung des Einzelwagenverkehrs und die rasche Einführung der Digitalen Automatischen Mittelpufferkupplung, Gleisanschlüsse für Industrie- und Gewerbegebiete, Güterverkehrszentren und die Entwicklung sowie Förderung neuer Logistikkonzepte. 

Der GBR-Vorsitzende der DB Cargo AG, Jörg Hensel, konstatierte immerhin einen neuen positiven Trend: „Das Unternehmen hat ein klares Signal gesendet: Wir wollen wachsen, wir wollen gewappnet sein dafür, dass mehr Verkehr auf die Schiene kommt.“ Zu diesem Strategiewechsel haben allerdings auch die Arbeitnehmervertreter*innen beigetragen. Die EVG-Betriebsräte bei DB Cargo haben in den vergangenen Jahren immer wieder eigene Konzepte für eine zukunftsorientierte Unternehmensentwicklung vorgelegt.

Sicherheit in Zügen, Bussen und Verkehrsstationen bleibt ein heißes Thema. Hier hätten die EVG und ihre Betriebsräte bereits viel geregelt, so der Vorsitzende des GBR DB RegioBus, Jürgen Knörzer. „Nun müssen aber Arbeitgeber und Politik in die Gänge kommen.“ Er forderte die generelle Doppelbesetzung von Zügen mit KiN, die regelmäßige Bestreifung mit Sicherheitspersonal und mehr Präsenz der Bundespolizei an den Bahnhöfen. „Das muss natürlich auch bezahlt werden, hier sind die Besteller gefragt.“
Nur mit einer starken Gewerkschaft geht es fair nach vorne. „Wir haben aufgezeigt, dass gerade in der Krise starke Gewerkschaften wichtig sind“, so Bundesgeschäftsführerin Cosima Ingenschay. „Die fast 10.000 neuen Kolleginnen und Kollegen, die im vergangenen Jahr Mitglied der EVG geworden sind, zeigen, dass die Strategie richtig ist.“ In der aktuellen Auseinandersetzung mit einer anderen Organisation „müssen wir uns alle noch einmal unterhaken, auch die neuen Kolleginnen und Kollegen mitnehmen, und zeigen, dass wir solidarisch zusammenstehen, während andere Klientelpolitik betreiben.“